Am 29. November 1929 passierte etwas, das damals wie Science-Fiction wirkte: Zum ersten Mal in der Geschichte überflog ein Flugzeug den geografischen Südpol. Die Antarktis war zu dieser Zeit noch ein riesiger weißer Fleck auf der Landkarte – ein Kontinent, den man eher mit Schlittenhunden als mit Motoren verband. Und doch wagte ein Team um den Polarforscher Richard E. Byrd genau das: den Pol aus der Luft zu erreichen.
Was heute wie ein Abenteuerfilm klingt, war damals ein ziemlich riskanter Pionierflug. Und er hat die Polar- und Luftfahrtforschung nachhaltig verändert.
Die Ausgangslage: Ein Kontinent voller Unbekannter
Die Antarktis war Ende der 1920er Jahre extrem schlecht erforscht. Zwar hatte Roald Amundsen den Südpol bereits am 14. Dezember 1911 als erster Mensch zu Fuß erreicht, aber weite Teile des Kontinents waren weiterhin unkartiert. Ein Flug über den Pol versprach neue Perspektiven: schneller, weiter, mit einem Blick auf riesige Gebiete, die zu Fuß kaum erreichbar waren.
Richard E. Byrd – US-Offizier, Abenteurer und erfahrener Flieger – plante deshalb eine Antarktisexpedition mit einem klaren Ziel: den Südpol mit einem Flugzeug zu überfliegen und dabei wissenschaftliche Daten zu sammeln.
Das Team und die „Floyd Bennett“
Für diesen historischen Flug stellte Byrd eine vierköpfige Crew zusammen:
- Richard E. Byrd – Expeditionsleiter und Navigator
- Bernt Balchen – Chefpilot (Norweger, Polar- und Arktiserfahrung)
- Harold I. June – Copilot und Funker
- Ashley McKinley – Fotograf und Dokumentation
Geflogen wurde mit einer Ford Trimotor (Ford 4-AT-B), einem robusten dreimotorigen Flugzeug. Byrd nannte die Maschine „Floyd Bennett“ – zu Ehren seines Freundes und früheren Piloten, der kurz zuvor gestorben war. Das Flugzeug war für seine Zeit zuverlässig, aber trotzdem weit weg von allem, was wir heute als „Polartauglichkeit“ verstehen würden.
Der Start: 28. November 1929
Los ging es an der Expeditionsbasis „Little America“ auf dem Ross-Eisschelf. Am 28. November 1929 hob die „Floyd Bennett“ ab. An Bord: gigantische Treibstoffmengen, Notfallverpflegung und Ausrüstung für eine Strecke, die niemand zuvor geflogen war.
Schon früh zeigte die Antarktis, dass sie keine Kulisse für Anfänger ist: eisige Temperaturen, dünne Luft in großer Höhe und Wetterwechsel, die praktisch ohne Vorwarnung zuschlagen konnten. Dazu kam ein Navigationsproblem: Kompassnavigation funktioniert nahe am Südpol kaum, weil die Magnetfeldlinien dort chaotisch verlaufen. Byrd musste sich auf Sonnenstand, Sichtpunkte und Berechnungen verlassen.
Der entscheidende Abschnitt: Über das antarktische Plateau
Auf dem Weg zum Pol wartete eine der größten Hürden: das hohe antarktische Plateau. Die Maschine brauchte mehr Höhe, um die Strecke sicher zu schaffen – war aber gleichzeitig extrem schwer beladen. Die Lösung war dramatisch, aber notwendig: Die Crew musste unterwegs Gewicht abwerfen.
Es flogen Treibstoffkanister, Reserveausrüstung und Teile der Vorräte über Bord. Das zeigt, wie knapp die Mission kalkuliert war: Der Flug war möglich – aber nur, wenn wirklich alles perfekt zusammenpasste.
Der historische Moment: 29. November 1929
Kurz nach Mitternacht am 29. November 1929 erreichten Byrd und sein Team den geografischen Südpol. Um sicherzugehen, dass sie den Punkt wirklich getroffen hatten, flogen sie ein Stück über den Pol hinaus und korrigierten ihren Kurs in mehreren kleinen Schleifen. Diese „Sicherheitsmanöver“ waren wichtig, denn ein Navigationsfehler von wenigen Kilometern hätte die ganze Leistung in Frage gestellt.
Der Überflug selbst war unspektakulär und gigantisch zugleich: Unter ihnen nur Eis, Wind und absolute Leere – aber genau dort, bei 90° südlicher Breite, war die Welt plötzlich komplett „untenrum“ erschlossen.
Rückkehr nach „Little America“ – nach fast 19 Stunden
Nach dem Überflug drehte die Maschine um. Der Rückflug war nochmal eine Belastungsprobe, denn durch das Gewichtsabwerfen waren die Reserven knapper als geplant. Trotzdem gelang die Rückkehr: Am 29. November 1929, nach rund 18 Stunden und 40 Minuten Flugzeit, landete die „Floyd Bennett“ wieder in „Little America“.
Damit war es offiziell: Erster bestätigter Flug über den Südpol.
Warum dieser 29. November die Welt verändert hat
Der Überflug war nicht nur ein Rekord, sondern ein echter Wendepunkt:
1. Die Pole wurden aus der Luft erreichbar.
Bis dahin waren Polarregionen in der Vorstellung vieler Menschen nur per Schlittenexpedition zugänglich. Byrds Flug bewies: Luftfahrt kann das Unmögliche möglich machen.
2. Forschung und Kartografie bekamen einen Quantensprung.
Ein Flug ermöglicht Überblick über riesige Flächen. Das Team konnte Geländeformen, Eisverläufe und geographische Strukturen dokumentieren, die zu Fuß Jahre gebraucht hätten.
3. Der Flug wurde zum Symbol der technischen Moderne.
Zwischen Amundsens Schlittenfahrt (1911) und Byrds Überflug (1929) liegen nur 18 Jahre – aber technologisch eine ganze Welt. Der Südpol war plötzlich kein Ziel nur für Abenteurer, sondern ein Ort, den Technik erreichbar machte.
Fazit
Der 29. November 1929 markiert einen dieser seltenen Tage, an denen Menschen eine Grenze überschreiten, die vorher wie eine Wand wirkte. Richard E. Byrd, Bernt Balchen und ihr Team haben mit Mut, Improvisation und fliegerischem Können gezeigt, dass selbst der abgelegenste Punkt der Erde erreichbar ist.
Der erste Überflug des Südpols war nicht nur eine spektakuläre Leistung – er war der Startschuss für moderne Polarfliegerei, bessere Antarktisforschung und letztlich für unser heutiges Verständnis dieses Kontinents.
Ein echter Meilenstein. Und ein verdammt guter Grund, den 29. November im Kopf zu behalten.
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