Am Morgen des 6. Dezember 1917 war Halifax in Nova Scotia ein pulsierender Kriegshafen. Der Erste Weltkrieg tobte in Europa, und Halifax war einer der wichtigsten Umschlagplätze für Konvois der Alliierten im Nordatlantik. Viele Schiffe, wenig Platz, winterliche Kälte – und eine Mischung aus Routine, Stress und schlechter Kommunikation. Was dann passierte, veränderte die Stadt für immer und gilt bis heute als eine der größten menschengemachten, nicht-nuklearen Explosionen der Geschichte.
Ein Hafen voller Gefahr – und kaum jemand wusste es
In den frühen Stunden lief der französische Frachter SS Mont-Blanc in den Hafen ein. Er war auf dem Weg von New York nach Europa und trug eine extrem gefährliche Ladung: hoch explosive Munition und Chemikalien für die Kriegsfronten. Solche Transporte waren damals üblich – aber sie waren ein offenes Risiko, das im hektischen Hafenbetrieb leicht unterschätzt wurde.
Gleichzeitig wollte das norwegische Schiff SS Imo auslaufen. Durch die engen Passagen der „Narrows“ (die Hafenenge) mussten sich beide Schiffe nahezu punktgenau abstimmen. Genau das klappte nicht: Signale wurden missverstanden, beide Schiffe befanden sich auf derselben Fahrwasserseite, und die Ausweichmanöver kamen zu spät.
Die Kollision – und ein Feuer, das niemand stoppen konnte
Gegen 8:45 Uhr stießen Mont-Blanc und Imo zusammen. Der Aufprall war zunächst nicht dramatisch – es war kein „Titanic-Moment“. Aber durch Funken und Reibung entzündeten sich brennbare Stoffe auf der Mont-Blanc. Innerhalb von Sekunden stand das Schiff in Flammen.
Die Besatzung der Mont-Blanc wusste, was auf dem Spiel stand. Sie verließ das Schiff so schnell wie möglich und versuchte, die Menschen am Ufer zu warnen. Doch viele in Halifax verstanden entweder die Warnungen nicht oder nahmen sie nicht ernst. Statt zu fliehen, liefen Neugierige Richtung Hafen, um das brennende Schiff zu sehen. Ein tragischer Faktor: Niemand ahnte, dass dieses Feuer auf einem schwimmenden Pulverfass brannte.
9:04 Uhr: Der Moment, der Halifax zerbrach
Etwa 20 Minuten nach der Kollision, um 9:04 Uhr, detonierte die Mont-Blanc. Die Explosion entsprach ungefähr 2,9 Kilotonnen TNT – damals die stärkste menschengemachte Explosion weltweit.
Was folgte, war apokalyptisch:
- Eine gigantische Druckwelle riss Häuser auseinander, verbog Schienen und schleuderte Trümmer kilometerweit.
- Eine Feuerball-Wolke stieg über dem Hafen auf, sichtbar aus großer Entfernung.
- Eine Flutwelle (Tsunami-ähnlich) wälzte sich über das Ufer und riss Menschen, Boote und Gebäude mit.
Fensterscheiben barsten noch in vielen Kilometern Entfernung. Besonders tragisch: Hunderte Menschen hatten aus ihren Wohnungen heraus beobachtet, wie das Feuer im Hafen wütete – und standen direkt vor Glasscheiben, als die Druckwelle sie zerfetzte. Viele Verletzungen und Erblindungen entstanden genau so.
Opfer, Zerstörung und eisiger Blizzard
Die Zahlen sind bis heute erschütternd: rund 1.800–2.000 Tote und etwa 9.000 Verletzte. Ganze Stadtviertel, vor allem der Richmond-Distrikt, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Mehr als 12.000 Gebäude waren zerstört oder schwer beschädigt, zehntausende Menschen verloren ihr Zuhause.
Und als wäre das nicht genug, zog kurz nach der Explosion ein Schneesturm über die Region. Rettungskräfte mussten sich durch Trümmer und meterhohen Schnee kämpfen, während Brände weiter loderten. Trotzdem begann sofort eine enorme Hilfsaktion – überfordertes lokales Personal, Soldaten, Ärzte, Freiwillige. Halifax stand unter Schock, aber die Stadt kämpfte.
Ein Erbe aus Schmerz – und Solidarität
Die Halifax-Explosion ist nicht nur eine Geschichte über Gefahr im Kriegshafen. Sie ist auch eine Geschichte über menschliches Fehlverhalten, Pech und die brutale Physik von Explosivstoffen. Daraus resultierten wichtige Änderungen in Hafen-Sicherheitsregeln und Umgang mit Gefahrguttransporten.
Gleichzeitig steht die Katastrophe für etwas Unerwartetes: Solidarität über Grenzen hinweg. Besonders bekannt ist die Hilfe aus Boston, das medizinische Teams und Material schickte – daraus entwickelte sich eine bis heute gepflegte Freundschaft zwischen den Städten.
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