Die Geschichte der Medizin ist gespickt mit Momenten, die den Lauf der Menschheit für immer verändert haben. Einer dieser Meilensteine war das Jahr 1901, als der Wiener Arzt Karl Landsteiner eine Entdeckung machte, die das Fundament der modernen Transfusionsmedizin legte: die Blutgruppen A, B und 0.
Die gefährliche Ära vor 1901: Ein Lotteriespiel um Leben und Tod
Vor Landsteiners Arbeit war die Bluttransfusion ein gefährliches Lotteriespiel. Ärzte versuchten, Patienten durch die Gabe von Spenderblut zu retten, doch die Ergebnisse waren unvorhersehbar. Manchmal verlief die Transfusion erfolgreich, in anderen Fällen führte sie zu dramatischen und oft tödlichen Reaktionen – einem Phänomen, das heute als Hämolyse bekannt ist (die Zerstörung der roten Blutkörperchen).
Die medizinische Welt stand vor einem Rätsel: Warum vertrug der Körper mancher Patienten fremdes Blut, während andere es ablehnten?
Karl Landsteiner: Der Mann, der das Blut entschlüsselte
Karl Landsteiner, ein Pathologe und Immunologe, widmete sich der Untersuchung der scheinbar zufälligen Reaktionen nach Bluttransfusionen. Seine bahnbrechende Erkenntnis war einfach und doch revolutionär: Nicht alles menschliche Blut ist gleich.
Landsteiner identifizierte, dass die Oberfläche der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) bestimmte Antigene (Kennzeichen) trägt, und dass das Blutplasma entsprechende Antikörper enthält.
1901 veröffentlichte er seine Erkenntnisse und klassifizierte menschliches Blut in drei Hauptgruppen:
- Gruppe A: Trägt das Antigen A.
- Gruppe B: Trägt das Antigen B.
- Gruppe 0 (sprich: Null): Trägt keines der beiden Antigene (daher die Bezeichnung „Null“).
Die vierte und seltenste Hauptgruppe, AB (trägt beide Antigene A und B), wurde erst ein Jahr später von Landsteiners Studenten entdeckt.
Die wissenschaftliche Erklärung des Phänomens
Landsteiners Entdeckung löste das Rätsel der Transfusionsreaktionen:
- Fehltransfusion: Wird Blut der Gruppe A in einen Menschen mit Gruppe B transfundiert, erkennt das Empfängerblut das Antigen A als „fremd“ und greift es mit seinen Anti-A-Antikörpern an.
- Agglutination: Dieser Angriff führt zur Verklumpung (Agglutination) der roten Blutkörperchen, was die Blutgefäße verstopft und lebensbedrohliche Organschäden verursachen kann.
- Die Lösung: Transfusionen sind nur sicher, wenn die Antigene des Spenderblutes nicht zu einer Reaktion mit den Antikörpern des Empfängerblutes führen (Kreuzprobe).
Die langfristige Bedeutung für die moderne Medizin
Die Einführung der AB0-Blutgruppen war eine absolute Wende in der Medizin. Sie ermöglichte erstmals die sichere Durchführung von Bluttransfusionen und legte den Grundstein für:
- Blutspendedienste: Die Organisation von Blutbanken und die gezielte Speicherung von Blutgruppen.
- Sichere Chirurgie: Ermöglichte komplexe Operationen, die ohne Blutersatz nicht möglich gewesen wären.
- Forschung: Die spätere Entdeckung weiterer Blutgruppen-Systeme, wie dem Rhesusfaktor (Rh), der ebenfalls maßgeblich zur Sicherheit von Transfusionen und Schwangerschaften beiträgt. Landsteiner selbst entdeckte den Rhesusfaktor 1937 zusammen mit Alexander S. Wiener.
Für seine bahnbrechende Leistung erhielt Karl Landsteiner im Jahr 1930 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
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